indische religiöse Feste

indische religiöse Feste
indische religiöse Feste
 
Außer dem Tag der Republik (26. Januar), dem Unabhängigkeitstag (15. August) und dem Geburtstag Mahatma Gandhis (2. Oktober) hat die überwiegende Zahl der Festtage in Indien einen religiösen Charakter. Der Tag, an dem sie gefeiert werden, richtet sich nach dem Mondkalender, das heißt, ihr genaues Datum ändert sich jährlich. Zweierlei religiöse Feste können unterschieden werden: diejenigen, die in ganz Indien gefeiert werden, und solche, die überwiegend mit lokalen Kulten verbunden sind. Zu ersteren gehören zum Beispiel Vasant Pancami, Holi, Divali und Dusshera. Vasant Pancami und Holi sind Frühlingsfeste und werden im Februar/März abgehalten. Das erste ist ein Fest zu Ehren von Sarasvati, der Göttin der Bildung und Gemahlin Brahmas. Zu dieser Zeit blüht in Nordindien der Senf, weshalb die gelbe Farbe bei diesem Fest vorherrscht. Die Frauen tragen Saris gelber Färbung, besuchen Tempel und Freunde und bringen gelbe Blumen, Schmuckgegenstände und Süßigkeiten als Geschenke mit. Es finden - vor allem in Bengalen - Prozessionen und Sportwettkämpfe statt. Das wichtigste Frühlingsfest aber ist Holi, ein lautes und fröhliches Straßenfest, das in Gedenken an die Streiche, die der Gott Krishna den Kuhhirtinnen spielte, gefeiert wird. Die Jugendlichen färben sich aus diesem Anlass die Gesichter zinnoberrot, bespritzen sich und Passanten mit gefärbtem Wasser und bewerfen sich mit rotem Puder. In den Oktober fällt das Dusshera (= Zehntägige Fest), das auch Navaratra (= das Neunnächtige) genannt wird. Dabei werden der Kampf des Guten mit dem Bösen und all die Götter und Helden gefeiert, die mit Dämonen gekämpft haben. In Bengalen und Mysore wird an diesen Tagen vor allem Durga, die Gattin Shivas, verehrt, weshalb das Fest hier Durgapuja heißt. Die Göttin wird dabei als die Töterin des Büffels Mahisha dargestellt. In Bengalen werden auch heute noch ihr zu Ehren anlässlich des Festes Hähne, Ziegen oder Büffel geopfert. Während der gesamten Durgapuja wird die Durga morgens angebetet und abends mit Tanz, Gesang und Rezitationen gefeiert. Am Abend des letzten Tages werden die aus Lehm hergestellten Statuen der Göttin in feierlicher Prozession zum Flussufer gebracht und im Fluss versenkt. Auch Szenen aus dem Epos »Ramayana« werden während des Dusshera-Festes aufgeführt. In der überlieferten Form der Ramlila werden die drei Hauptgestalten Rama, seine Gattin Sita und sein Halbbruder Lakshamana von Kindern dargestellt, da nur ein Kind noch die dazu erforderliche Reinheit hat. In Mathura sind diese Tage dem Gott Krishna gewidmet. Knabengruppen führen in der Krishnalila Episoden aus dem Leben Krishnas auf. Etwa vier Wochen nach Dusshera wird das Lichterfest Divali zu Ehren der Göttin Lakshmi, der Gattin Vishnus und Göttin des Glücks und Reichtums, gefeiert; dazu zündet man überall kleine, bootsförmig, e mit Öl gefüllte Tonlämpchen an. Frauen und Mädchen gehen zum Fluss hinunter und lassen leichte, Flammen tragende Boote zu Wasser. Untermalt wird das Ganze mit Feuerwerk, und der Tag endet mit einem Verehrungsritual in den Häusern, um die Gunst Lakshmis für das kommende Jahr zu erwirken.
 
Neben diesen bestimmten Göttern gewidmeten Festen gibt es auch solche, die mit bestimmten Orten besonderer Heiligkeit verbunden sind, wie etwa Allahabad, das Prayaga der epischen Zeit. Allahabad liegt am Zusammenfluss der drei großen heiligen Ströme Ganges, Yamuna und Sarasvati, der Triveni (= Zopf aus drei Haarsträhnen) genannt wird; ein Bad in seinen Wassern soll eine besonders entsühnende Wirkung haben. Hier findet jährlich im Januar/Februar ein Badefest statt und alle zwölf Jahre die Kumbhmela (= Gefäßfest), zu der Pilger aus allen Teilen Indiens strömen. Die Kumbhmela wird in dreijährigem Zyklus abwechselnd in Allahabad, Hardvar, Nasik und Ujjain gefeiert, wenn der Planet Jupiter im Wassermann steht. An diesem Fest nimmt gewöhnlich über eine halbe Million Gläubige teil. In Ayodhya, ursprünglich Hauptstadt Kosalas und Residenz der mächtigen Sonnendynastie, wurde Rama geboren, der auch dort herrschte. Ihm zu Ehren finden im März/April, Juli/August und Oktober/November große Feste statt. In Ujjain, dessen Shiva-Tempel von Kalidasa in seinem Gedicht »Meghaduta« besonders gerühmt wird, begeht man im Februar das Shivaratri-Fest, das zu Ehren der Hochzeit des Shiva mit der Göttin Parvati stattfindet. Ein weiteres großes Shivaratri-Fest wird in der »Großen Grotte« des Shiva-Heiligtums auf der Insel Elephanta begangen. Der Kala Rama in Nasik, in dessen Nähe die Höhle der Sita liegt, aus der der Dämon letztere entführt haben soll, ist Schauplatz eines dreizehntätigen Festes zu Ehren Ramas im März/April. Vishnu wird in Puri in Orissa mit Festen geehrt, wo sich die irdische Residenz dieses Gottes in Gestalt des Jagannath befinden soll. Im Mai/Juni wird beispielsweise zum Gedenken an den Tag, an dem der Gott auf Erden erschien, das Badefest gefeiert. An diesem Tag werden die Götterbildnisse mit Wasser gewaschen und dann in das »Krankenzimmer« gebracht, wo sie sich von der Krankheit, die sie sich beim Bade geholt haben, erholen können. Während dieser Zeit, in der keine Zeremonien stattfinden, werden sie neu bemalt, um nach vierzehn Tagen wieder unter die Gläubigen gebracht zu werden. Während des Wagenfestes (Rathayatra) im Juni/Juli werden Jagannath und seine Geschwister Balarama und Subhadra dann in großen Prunkwagen in einer feierlichen Prozession zum Sommerhaus gebracht, wo sie von Lakshmi empfangen werden. Nach vier bis fünf Tagen treten sie die Heimreise an.
 
Im Pandschab, wo die Mehrheit der Bevölkerung der religiösen Gemeinschaft der Sikhs angehört, werden die Geburtstage der zehn Begründer, der Gurus, besonders feierlich begangen. Bei dieser Gelegenheit finden bei Tag und Nacht öffentliche Lesungen aus dem »Granth Sahib«, dem heiligen Buch der Sikhs, statt, begleitet von Massenumzügen, Musik und Tanz. In gleicher Weise wird das Frühlingsfest Baisakhi gefeiert. An diesem Tag wird der Gründung der Armee der Sikhs, der Khalsa (= Armee der Reinen), durch den zehnten Guru im Jahre 1699 gedacht.
 
Das wichtigste Fest der Jainas ist Mahavira-Jayanti, der Geburtstag des Mahavira, des 24. Tirthankara und Reformators des Jainismus, im März/April; er wird mit feierlichen Prozessionen begangen. Die Buddhisten feiern im Mai/Juni Buddha-Parnima (= Vollmond des Buddha) oder Buddha-Jayanti, den »Geburtstag des Buddha«, ein Datum, das mit dem der Erleuchtung des Buddha und seines Parinirvana zusammenfällt. Gefeiert wird in Sarnath, dem Ort der ersten Predigt, und Bodh Gaya, dem Ort der Erleuchtung. In den vom tibetischen Buddhismus geprägten Klöstern Nordindiens, wie etwa in Ladakh und Sikkim, verdienen vor allem die um die Zeit des tibetischen Neujahrs aufgeführten Cham-Tänze zu Ehren der Götter und zum Wohle der Menschen Beachtung. Das alte Jahr als vergangenes wird mit seinem Unglück in den Hintergrund gedrängt, das neue Jahr geläutert, alle Zuschauer sollen gegen Unheil gefeit sein.
 
Neben den weltweit gefeierten jahreszeitlichen islamischen Festen, wie etwa dem Fest des Fastenbrechens am Ende des Fastenmonats Ramadan oder dem »großen Fest« (Id al-Adha), einer Wiederholung des Abraham-Opfers, wird im Winter in Indien, vor allem in Kaschmir, ein von den anderen muslimischen Feiertagen abweichendes Fest, das Hitshmavas, gefeiert. An ihm werden alle Straßenhunde gewaschen, gefüttert und mit Blumengirlanden geschmückt. Die Bevölkerung glaubt, dass sich ihren Behausungen an diesem Tag Dämonen in der Gestalt kleiner Tiere nähern, vor denen sie sich durch die Gunst der Hunde zu schützen versucht.
 
Dr. Siglinde Dietz
 
 
Sivaramamurti, Calambur: Indien. Kunst und Kultur. Übersetzung und Bearbeitung der deutschen Ausgabe von Oskar von Hinüber. Freiburg im Breisgau u. a. 41987.

Universal-Lexikon. 2012.

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